Der Weg zur alten Strahlkraft - Rückblick Kind und Jungend 2023

2.10.2023 BRANDORA
Spielwaren
https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/92d48618c916618ac66a55a116b28fcc8fa0ffba-800x463.jpg

Die Kind und Jugend in Köln hat 2023 wieder bewiesen, dass sie als internationale Leitmesse der Baby-Hartware-Branche einen relevanten Platz in den Kalendern von Industrie und Handel hat.

Rund 15.000 FachbesucherInnen zog die Veranstaltung in die Messehallen - mit einem Auslands-Anteil von 76%. Diese informierten sich über Neuheiten von 974 Ausstellern aus 46 Ländern.

Damit schaffte es die Kölnmesse nach zwei post-epidemischen Jahren den Weg zur alten Strahlkraft der Kind & Jugend zu begehen. Jörg Schmale, Director der Kind & Jugend, lässt sich gar zum euphorischen Resümee „Die Stimmung hier war gigantisch, der Knoten ist geplatzt.“ hinreißen - wenngleich die Messe vor Corona bei weitem größer und von mehr Markenpräsenz getragen war.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/06f6886c6360028e0b57c386bceab7e8a9063c38-800x471.png

Hohe Qualität an Ausstellern und Besuchern

Nicht nur die Zahl der TeilnehmerInnen stimmte positiv - auch die Qualität von Aussteller-Unternehmen und BesucherInnen sorgte für eine gute Stimmung in den Messegängen.

Da pandemiebedingte Reise-Einschränkungen mittlerweile weltweit wieder aufgehoben sind, wurde die Chance einer Präsenz in Köln von zahlreichen internationalen Unternehmen wieder wahrgenommen. Auffallend stark waren asiatische Unternehmen vertreten. Zum Einen, da es in der Branche eine gewisse Tradition hat, in Asien zu fertigen - andererseits aber, da sich dort peu à peu Marken und Markenhersteller entwickeln, die den Sprung auf den Weltmarkt wagen. Qualitativ stehen diese für Europa neuen Marken oft den traditionellen Brands nicht nach. Und auch gestalterisch setzen mittlerweile nicht nur europäische Unternehmen Trends.

Dies zeigt sich auch an der regeren Teilnahme asiatischer Hersteller am „Innovation Award“, dem Preis, den die Kind und Jugend für innovative Produkte in verschiedenen Kategorien auslobt. Leider war jedoch der Innovationsgrad der nominierten Produkte oft nicht sehr groß - oder sehr konstruiert herbei argumentiert.

Mutmaßlich sind angesichts schwieriger Rahmenbedingungen am Markt bei Herstellerbetrieben in den letzten Jahren F&E Kosten oft Sparmaßnahmen anheim gefallen.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/4c2f271a5a1a0ab2e95aad783e0fad7f29711f79-4032x2268.jpg

Kind und Jugend bildet Trends ab

Und dennoch folgt die Branche als Ganzes den großen gesellschaftlichen Trends: Auf einer Sonderfläche zeigt die Messe, wie Digitalisierung und virtuelle Produktdarstellung im Handel (sowohl stationär als vor allem auch online) künftig vermehrt aussehen wird. Und zahlreiche Hersteller sind bemüht, nachhaltigere Produktions- und Handelswege zu beschreiten. Zum Einen wohl, weil regulatorische Hürden immer höher werden - zum Anderen aber auch, weil gerade die Zielgruppe „junge Familie“ in Bezug auf Schwangerschafts-, Baby- und Kleinkindartikel eine besonders sensible ist.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/0ba54f578fee15f4cfe49ec63fe0fbca5a0dc5d6-4032x2268.jpg

Natürlich ist hier aber auch ein anderer gesellschaftlicher Trend wahrnehmbar: Die Handelslandschaft konzentriert sich. Sowohl im Onlinegeschäft als auch im stationären Handel - ob Fachhandel oder andersförmige Handelsstruktur - waren Wachstumsraten, vorsichtig gesagt, schon mal höher. Steigende Kosten, Kaufzurückhaltung, schwache Margen, unsichere Logistikketten, wachsende Anforderungen, mangelndes Personal - all das sind Faktoren, die selbst an einer Branche, deren Zielgruppe größenmäßig relativ stabil ist, nicht schadlos vorbeigehen.

Nur logisch also, dass Fachhändler, die kurz vor einem Generationenwechsel stehen - und davon gibt es derzeit einige in der deutschen Handelslandschaft - sich zweimal überlegen, welche Option denn die richtige ist: Weitermachen bis Licht am Ende des Tunnels erscheint? Übergaberegelung? Verschmelzung mit Wettbewerbern? - Oder eben schließen.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/e7e6145cdbf40b2c694c895199a562aa2ca11997-798x470.png

Allerdings - und auch das gehört zur ganzen Wahrheit: Der Babyfachhandel ist in der Gesamtschau des Fachhandels eine kleine Insel der Glückseligkeit: Corona hat uns mehr Geburten beschert, die Geschäfte wurden während der Lockdowns als systemrelevant eingestuft und durften somit geöffnet bleiben - und auch weiterhin, so berichtet Franziska Köster, stv. Geschäftsführerin des Handelsverband Spielwaren (BVS), ist bei leicht rückgängiger Frequenz nicht alles schlecht:„Die Kunden, die kommen, kaufen jedoch mehr“.

Produktseitig gibt es nur wenig große Überraschungen. Die bereits erwähnte Innovationsflaute war nicht nur bei den Nominierten des Awards, sondern auf der gesamten Fläche zu beobachten. Lediglich Varianten, Weiterentwicklungen, Optimierungen waren zu sehen. Das muss nicht schleicht sein. Wie oft haben wir in der Vergangenheit bereits gesehen, dass versucht wird, durch pseudo-innovative Gadgets Kaufimpulse zu generieren? Wie oft wurden gerade im Babysegment Artikel auf den Markt geworfen, die vermeintlich Probleme lösen, welche ohne diese Artikel gar nie existiert hätten? Und mal ganz ehrlich: Die Produkte der meisten Hersteller auf der Kind und Jugend sind so weit ausentwickelt, dass für Innovationssprünge wirklich wenig Luft bliebe. Und die Sache mit dem Kinder groß ziehen ist auch nichts, was sich noch grundlegend revolutioniert. Wieso sollten es also die dafür notwendigen Produkte tun?

Na gut - Trends und Geschmäcker ändern sich. Wie auch die Dicke des Durchschnittsgeldbeutels. Darauf hat der Markt jedoch bereits jetzt zahlreiche Antworten in Produktform.

So ist das Thema „mitwachsend“ und „multifunktionell“ derzeit wieder mehr gefragt, da VerbraucherInnen ihre Kosten im Blick haben und lieber mehrere Bedürfnisse in wenigen Produkten decken. Prunkvolle Exklusivität und Features wie Motorisierung dagegen sind rar gesät bis nicht mehr vorhanden.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/eadbaf179d06b098cebe7ae4f70927d386e3f8ec-800x472.png

Weniger Trend als anhaltende Bemühung um Optimierung ist das gesamte Feld der Nachhaltigkeit. Hier gehen viele Unternehmen sehr individuelle Schritte, was - solange es im argumentierbaren Preisrahmen bleibt - von VerbraucherInnen gern mitgetragen wird. Gerade bei erstgebärenden fällt das Thema auf fruchtbaren Boden.

„Grün ist Trend“, sagt auch der BVS. Und meint damit die Farbe.

Und tatsächlich ist das Babysegment nach wie vor geprägt von erdigen Naturtönen und setzt damit den „Scandi“ - Trend der letzten Jahre fort. Allerdings etwas kräftiger. Weniger pastellig.

Viele da - aber längst nicht alle

Einige Marken, die bei den beiden vorherigen „postpandemischen“ Anläufen der Kind & Jugend nicht präsent waren, sind wieder zurück. Andere wie der oberfränkische Kinderwagenhersteller Hesba bangen gerade um ihr Fortbestehen und treten daher nicht in Köln mit eigener Präsenz auf. Wieder andere unterwandern das Bemühen der Kölnmesse, einen internationalen Branchen-Hub möglichst lebendig und vollumfänglich zu halten - und stellen im Hotel gegenüber der Messe aus. Ein Trend, der bereits in den vergangenen Jahren (auch schon vor Corona) begann - gerüchteweise aufgrund der Preisstruktur der Kölnmesse.

Ob sich jedoch Minderkosten bei einem Stand in einem Hotel-Konferenzraum rechnen, zumal man dort keine Laufkundschaft zu erwarten hat, sein dahingestellt.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/c78bad4aefd09301d1ab4576e2ec495b92dda369-800x473.png

Und natürlich - das darf auf keinen Fall unerwähnt bleiben - fehlen zahlreiche große Marken und Branchen-Player gänzlich mit einer eigenen Präsenz auf der Kind & Jugend. Das ist schade, vor allem wenn man eine Leitmesse als mehr als nur die reine Ausstellungsfläche sieht: Sie ist Dreh- und Angelpunkt für Ideen, Neukontakte, Innovation, Marktüberblick, Trends, Personal und so vieles mehr. Und das funktioniert eben nur, solange sie für möglichst viele Akteure relevant ist.

Natürlich ist das Arbeiten an der Relevanz auch Aufgabe der Messe selbst. Sie muss versuchen, verschiedenste Interessenslagen abzubilden. Formate zu kreieren, die für unterschiedlichste Branchenteilnehmer funktionieren. Dass das längst mehr ist als das Bereitstellen von Ort und Zeitpunkt, ist auch der Kölnmesse bewusst. Doch ist es keine triviale Aufgabe, sehr fluidem Kundenverhalten als Messegesellschaft Schritt zu halten. Erschwerend kommt ja ein recht starres Korsett aus zu verkaufenden Quadratmetern Messefläche hinzu.

Wie auch für Händler und Industrie gilt hier: Gehe mit der Zeit, sonst gehst Du mit der Zeit.

Letztes Jahr stand die Frage durchaus im Raum, ob man diese Messe denn noch haben muss. Dieses Jahr wirkte das schon wieder ganz anders.

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/db4d046f6e3bf2bd882f6a0861f9cc925af016ad-800x472.png

Die Kind und Jugend hat sich nach Messe angefühlt, wie sie sein muss: Volle Gänge, alte Bekannte, neue Gesichter, optimistische Gespräche, Gossip, vielfältige Produkte, neue Marken, frische Sortimente. Schön, dass der Knoten der Corona-Nachwehen geplatzt ist. Und schön, dass die Branche sich wieder mehr und mehr zu ihrer Leitmesse bekennt.

Der BRANDORA Editorial Service ist eine Plattform, die sich auf die Themen der Spielwarenindustrie spezialisiert hat. Einmal im Monat widmet sich die Redaktion der "Spielwaren Insights" einem Leitthema, das intensiv recherchiert und beleuchtet wird. Die Redaktion stellt Fragen und sucht nach Antworten, um ein umfassendes Bild des Themas zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um die reinen Fakten, sondern auch um die Meinungen und Ansichten von Experten und Beteiligten in der Branche.

Ziel ist es, einen Dialog innerhalb der Branche zu schaffen und wichtige Themen aufzugreifen, die für die Zukunft der Spielwarenindustrie von Bedeutung sind.

Der BRANDORA Editorial Service versteht sich als unabhängige Plattform, die objektiv und kritisch über Themen berichtet und diskutiert. Dabei werden sowohl positive als auch negative Aspekte beleuchtet und hinterfragt.

Ein Bericht von Jörg Meister

https://cdn.sanity.io/images/p75a4m4i/production/642857fcc29e583da0265df0da53680e9bc94337-756x756.jpg